Anasayfa , MAKALE/ARTIKEL , PARTİZAN: „Der Aufruf des Jahrhunderts“: Lösung oder Auflösung?

PARTİZAN: „Der Aufruf des Jahrhunderts“: Lösung oder Auflösung?

Zunächst ist eine kurze Erinnerung notwendig. Nach der „Al-Aqsa-Flut-Operation“ des palästinensischen nationalen Widerstands am 7. Oktober 2023 haben sich im Nahen Osten historische Entwicklungen vollzogen. Israel begann zunächst militärische Operationen gegen
Gaza und dann gegen den Libanon. In Syrien brach das Baath-Regime zusammen, und die Macht wurde der salafistisch-dschihadistischen Miliz HTS übergeben.
Auf internationaler Ebene haben sich die Widersprüche zwischen den kapitalistisch-imperialistischen Mächten durch Russlands Invasion in die Ukraine sowie durch die Kriege und Konflikte im Nahen Osten offen in einen Kriegszustand verwandelt. Diese Situation führt
dazu, dass sich die Allianzen und Fronten der imperialistisch-kapitalistischen Mächte entsprechend diesen Widersprüchen neu formieren. Alle Seiten bereiten sich auf einen neuen Verteilungskrieg vor – den Dritten imperialistischen Weltkrieg.

Mit den Worten von Vorsitzendem Mao „herrscht unter dem Himmel Chaos“.

Es ist undenkbar, dass diese Entwicklungen den türkischen Staat und die herrschenden türkischen Klassen nicht beeinflussen. Seit der Gründung der Republik Türkei ist sie ein halbkolonialer Markt des Imperialismus. Darüber hinaus macht ihre geografische Lage die Türkei für die Imperialisten zu einer „regionalen Ordnungsmacht“, was diese Abhängigkeit
noch verstärkt. Die Ziele und Absichten des türkischen Staates in Syrien sind bekannt. Besonders aber die
Entstehung der Autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens unter der Führung der kurdischen nationalen Bewegung, an der neben der arabischen Nation auch verschiedene andere Ethnien und Glaubensgemeinschaften beteiligt sind, und die zunehmende Wahrscheinlichkeit, dass diese „Autonomie“ einen offiziellen Status erlangt, haben die
herrschenden türkischen Klassen dazu veranlasst, eine neue Politik in der kurdischen Frage zu
entwickeln.

Der türkische Staat hat erneut auf Abdullah Öcalan zurückgegriffen, den er seit 26 Jahren auf der Insel İmralı unter schwerer Isolation festhält. In der Öffentlichkeit wurde bekannt, dass als Ergebnis von Gesprächen, die offenbar vor etwa einem Jahr begonnen haben, ein Prozess eingeleitet wurde – jedoch ohne offiziell als „Lösungsprozess“ bezeichnet zu werden. In diesem Rahmen verkündete die „İmralı-Delegation“ am 27. Februar einen Aufruf mit dem
Titel „Frieden und demokratische Gesellschaft“, den Abdullah Öcalan persönlich verfasst hatte. Nach der schriftlichen Erklärung, die sowohl auf Kurdisch als auch auf Türkisch verlesen wurde, teilte Delegationsmitglied Sırrı Süreyya Önder eine Notiz Öcalans mit:
„Wenn wir diese Perspektive darlegen, erfordert das Niederlegen der Waffen und die Auflösung der PKK, zweifellos die Anerkennung des demokratischen politischen und rechtlichen Rahmens.“

Diese Entwicklungen haben die Debatte über die kurdische nationale Frage wieder in den Mittelpunkt gerückt. Die Herangehensweise der beteiligten Seiten an diesen Prozess könnte unterschiedlicher nicht sein. Die kurdische nationale Bewegung unterstützte Öcalans Aufruf und erklärte, dass die Guerillakräfte die Waffen niederlegen würden. Dabei wurde betont, dass die kurdische Bewegung keinerlei Bedingungen an den Prozess knüpft. Wie Sırrı Süreyya Önder von der „İmralı-Delegation“ erklärte:
„Diese Sache hat keinerlei Bedingungen. Es gibt weder Vorbedingungen noch nachträgliche
Bedingungen.“ (3. März 2025)

Die Haltung der Sprecher des türkischen Staates zu diesem Prozess ist bekannt. Daher bedarf es keiner erneuten Ausführung. Zunächst ist festzuhalten, dass der türkische Staat und die kurdische nationale Bewegung nicht zum ersten Mal – weder direkt noch indirekt – Verhandlungen über die kurdische Frage
führen. So hatte beispielsweise der damalige Präsident Turgut Özal im Jahr 1993 eine Initiative ergriffen, woraufhin PKK-Führer Abdullah Öcalan am 20. März 1993 erstmals einen einseitigen Waffenstillstand erklärte. Nach der Gefangennahme Abdullah Öcalans durch eine internationale Verschwörung am 15.
Februar 1999 rief dieser im September 1999 erneut zu einem Waffenstillstand auf und forderte den Rückzug der Guerillakräfte aus der Türkei. Die PKK hielt sich weitgehend an diesen Aufruf, und es begann eine Phase der „einseitigen Gewaltlosigkeit“, die bis 2004
andauerte. Da der türkische Staat jedoch keine Schritte zur Lösung des Konflikts unternahm, brach die
PKK den einseitigen Waffenstillstand und nahm am 1. Juni 2004 den bewaffneten Kampf wieder auf.
Im Jahr 2009 initiierte die AKP-Regierung unter dem Namen „Projekt der nationalen Einheit und Brüderlichkeit“ den sogenannten „Demokratischen Öffnungsprozess“. Die Gespräche mit Abdullah Öcalan auf İmralı wurden wieder aufgenommen, und Vertreter des türkischen Geheimdienstes (MİT) sowie einige AKP-Offizielle führten in Europa geheime Gespräche
mit PKK-Vertretern (KCK-Führung) in Oslo. (Oslo-Gespräche 2009–2011). Im Dezember 2012 gab der damalige Premierminister Recep Tayyip Erdoğan bekannt, dass Gespräche mit Abdullah Öcalan auf der Insel İmralı geführt wurden. Nach dieser Erklärung
fanden in den ersten Monaten des Jahres 2013 Gespräche zwischen Regierungsvertretern
(unter der Leitung des MİT-Chefs) und der „İmralı-Delegation“ statt. Während der als „Lösungsprozess“ bekannten Phase von 2013 bis 2015 ergriff die AKP-
Regierung mehrere Maßnahmen, um eine rechtliche Grundlage für den Prozess zu schaffen:
2014 wurde ein Gesetz verabschiedet, im Parlament (TBMM) wurde eine „Lösungskommission“ eingerichtet, und ein „Weiser-Menschen-Komitee“ wurde gebildet. Am 21. März 2013 wurde während des Newroz-Festes in Amed (Diyarbakır) ein Brief von
Abdullah Öcalan verlesen. Am 28. Februar 2015 hielten Vertreter der „İmralı-Delegation“ und der AKP-Regierung im Dolmabahçe-Palast eine gemeinsame Pressekonferenz ab. Dabei wurde ein von Abdullah Öcalan erarbeitetes Zehn-Punkte Verhandlungsdokument verlesen, in dem er die PKK dazu aufrief, im Frühjahr einen außerordentlichen Kongress abzuhalten und den bewaffneten Kampf zu beenden. Doch im März 2015 erklärte Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, dass er dem Dolmabahçe-Abkommen nicht zugestimmt habe, und sprach sich offen dagegen aus: „Ich erkenne das Abkommen nicht an.“ Ende 2024 wurde bekannt, dass zwischen dem türkischen Staat und Abdullah Öcalan eine
neue „Verhandlung“ geführt wurde. Dieser Prozess unterscheidet sich von den früheren in
mehreren Punkten: Er wird offiziell nicht als „Prozess“ bezeichnet, und der Inhalt der Gespräche wird nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Während es für die kurdische nationale Bewegung keine Bedingungen oder Vorbedingungen gab, gewährte der türkische
Staat keinerlei Zugeständnisse oder Zusicherungen.
Trotz dieser Unklarheiten ist eines sicher: Die Tatsache, dass der türkische Staat erneut auf
Abdullah Öcalan in der kurdischen Frage zurückgegriffen hat, ist von großer Bedeutung. Der
Hauptgrund dafür sind die Entwicklungen im Nahen Osten, insbesondere in Syrien. Deshalb
ist es notwendig, die neue Politik des türkischen Staates genauer zu betrachten.

Die Befestigung der „Inneren Front“!

Es wird deutlich, dass die israelische Aggression, die Entwicklungen in Syrien und die
allgemeine Lage im Nahen Osten den türkischen Staat dazu veranlasst haben, eine neue
Politik zu entwickeln. Erste Anzeichen für diese Politik wurden bereits vor einem Jahr
sichtbar. Vertreter der AKP-MHP-Regierung bezeichneten diese Strategie gelegentlich als
„Befestigung der inneren Front“. Das erste offizielle Signal dafür gab Staatspräsident und
AKP-Vorsitzender Recep Tayyip Erdoğan mit der Erklärung: „Wenn wir uns die aktuellen Ereignisse anschauen, erkennen wir viel klarer, wie wichtig die
innere Front für eine Nation ist.“ (30. August 2024)
Später wiederholte er diese Betonung während seines Besuchs bei der 79. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York und erklärte:
„Unsere Ziele für die innere Front sind unser ‘Kızıl Elma’ (Rotes Apfel-Ziel).“ (27.
September 2024) Nach Erdoğan betonte auch MHP-Chef Devlet Bahçeli die Bedeutung der „inneren Front“:
„Unsere Hauptaufgabe ist die Befestigung unserer nationalen und spirituellen Front gegen
eine chaotische Welt. Unsere innere Front, die erschüttert werden soll, unsere Einheit und
unser Zusammenhalt, die zerstört werden sollen – wir werden das nicht zulassen.“ (2.Oktober 2024) Kurz darauf unterstrich Erdoğan erneut die Bedeutung der „inneren Front“: „Wir rufen dazu auf, unsere Einheit und Geschlossenheit zu stärken. Lasst uns denen, die uns spalten und zerteilen wollen, mit derselben Entschlossenheit und mit derselben Stimme
antworten: ‘Wir sind eins, wir sind eine Einheit, wir sind gemeinsam die Türkei.’ Der Aufruf
zur Stärkung der inneren Front ist ein Funke, der uns an unsere Einheit, unseren
Zusammenhalt und unsere Brüderlichkeit erinnern soll.“ (14. November 2024) Aus den Erklärungen und Entwicklungen, die von türkischen Regierungsvertretern gemacht wurden, lässt sich ableiten, dass eine neue politische Strategie formuliert wurde. Diese wird als „Befestigung der inneren Front“ bezeichnet und kann als eine Annäherung an ein
„kurdisch-türkisches Bündnis“ zur Schaffung eines „inneren Friedens“ verstanden werden.
Damit will die türkische Kompradorenbourgeoisie die kurdische nationale Frage, die sie seit
langem als „Existenzproblem“ betrachtet, durch eine Art „Aussöhnung“ oder „Vereinbarung“
mit der kurdischen Nationalbewegung entschärfen und so die innere Front stärken. Den unter
nationaler Unterdrückung stehenden Kurden wird die Botschaft vermittelt: „Wir sind eins, wir
sind eine Einheit, wir sind gemeinsam die Türkei.“
Ein Ausdruck dieser neuen politischen Strategie war der Handschlag des MHP-Vorsitzenden
Devlet Bahçeli mit der DEM-Partei-Fraktion im Parlament am 1. Oktober 2024. Am selben
Tag erklärte Bahçeli: „Wir treten in eine neue Ära ein. Wer Frieden in der Welt will, muss zuerst den Frieden im eigenen Land sichern.“
Auch Präsident und AKP-Vorsitzender Recep Tayyip Erdoğan äußerte sich am selben Tag in
der Plenarsitzung des Parlaments:
„Es ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern eine absolute Verpflichtung, Folgendes zu
verstehen: Angesichts der israelischen Aggression müssen wir heute nicht die Konfliktfelder,
sondern die Felder der Verständigung in den Vordergrund stellen.“

Als weiteres Zeichen dieser neuen politischen Strategie der türkischen Regierung erklärte
Devlet Bahçeli am 22. Oktober 2024 während der MHP-Fraktionssitzung im Parlament:
„Sollte die Isolation des Terroristenführers aufgehoben werden, soll er in der DEM- Fraktionssitzung im Parlament sprechen. Er soll verkünden, dass der Terror vollständig beendet und die Organisation aufgelöst wurde.“ Kurz darauf äußerte sich auch Recep Tayyip Erdoğan: „Wir hoffen, dass das historische Zeitfenster, das durch die Volksallianz [Cumhur İttifakı] geöffnet wurde, nicht persönlichen Interessen geopfert wird.“ (22. Oktober 2024)
Nach diesen Erklärungen veröffentlichte das „Imralı-Komitee“ eine Stellungnahme von
Abdullah Öcalan, der seit 26 Jahren in türkischer Gefangenschaft ist. Das Dokument mit dem
Titel „Frieden und demokratische Gesellschaft“ wurde der Öffentlichkeit präsentiert. Wie bereits oben angedeutet, mag diese Erklärung zwar von Abdullah Öcalan selbst verfasst worden sein, doch im Wesentlichen scheint sie das Ergebnis der einjährigen Verhandlungen mit Vertretern des türkischen Staates und einer daraus resultierenden Vereinbarung zu sein.
Da keine offizielle Erklärung über die Inhalte der Gespräche oder die genaue Natur der
„Einigung“ bzw. „Übereinkunft“ veröffentlicht wurde, ist eine konkrete Bewertung nicht
möglich. Es lässt sich jedoch erkennen, dass der türkische Staat bereit ist, bestimmte
Maßnahmen zu ergreifen, wenn die PKK ihre Waffen niederlegt und sich selbst auflöst.
Laut öffentlich zugänglichen Informationen fanden über ein Jahr hinweg Gespräche und
Verhandlungen zwischen dem türkischen Staat und Abdullah Öcalan statt. Dabei hat der
türkische Staat diesen Prozess mit einem Gefangenen geführt – ein Umstand, der an sich
schon äußerst problematisch und ungerecht ist.
Unter diesen Bedingungen kann man von „geheimer Diplomatie“ sprechen. Dies erschwert
eine objektive Analyse der Situation erheblich.
Ist Öcalans Aufruf Kapitulation?
Zunächst sollte klargestellt werden, dass es absolut üblich ist, dass kämpfende Kräfte mit dem
Feind Gespräche führen, „Friedensprozesse“ durchlaufen und einseitige oder gegenseitige
Waffenstillstände eingehen. Historisch gesehen haben Kommunisten und verschiedene
Führungen nationaler und sozialer Befreiungsbewegungen solche praktischen Schritte
unternommen. Natürlich müssen all diese praktischen Schritte, solange sie dem Ziel der
Revolution und Befreiung untergeordnet sind und dieses Ziel nicht aufgegeben wird, als
Taktiken und taktische Phasen betrachtet werden, die dem Krieg dienen. Öcalans Aufruf vom 27. Februar, der auf die „Auflösung der PKK“ abzielt, mag einen
wichtigen politischen Bruch darstellen, doch es sollte nicht übersehen werden, dass solche
Aufrufe von Öcalan nicht zum ersten Mal gemacht wurden. Tatsächlich hat Öcalan in
verschiedenen Erklärungen und Arbeiten dargelegt, dass aufgrund der Rückschläge im
Sozialismus und dem Fall moderner revisionistischer Regierungen (Öcalans Worten zufolge
das „Scheitern des realen Sozialismus“) eine Änderung der Linie (Öcalans Worten zufolge
„Paradigma“) erforderlich sei. Deshalb sollte man zu anderen Organisationsformen und –
modellen greifen. Die Entstehung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als nationale, marxistisch geprägte
Bewegung und ihr revolutionärer Kampf gegen die nationale Verleugnungs- und Vernichtungspolitik der türkischen herrschenden Klassen; In seinen Erklärungen und Verteidigungen nach der Inhaftierung von A. Öcalan; Er erklärte, dass er das „Recht auf freie
Trennung“, d.h. die Forderung nach der Gründung eines eigenen Staates, aufgegeben habe; Er
führte die kurdische Nationalbewegung zu einer Orientierung, die er „Demokratische
Moderne“ nannte und als „Paradigma der Ökologie, der Frauenbefreiung und der demokratischen Nation“ konzipierte.

In seinen Erklärungen und Verteidigungen entfernte sich A. Öcalan von den revolutionär-sozialistischen Ideen, die den Gründungsprozess beeinflussten, und nannte dies einen „Bruch mit dem realen Sozialismus“. Stattdessen führte er viele Modelle, darunter ökologische, „post-marxistische“ und anarchistische Strömungen, als „neue organisatorische Modelle“ in
die kurdische nationale Bewegung ein. In dieser Hinsicht ist in A. Öcalans Erklärung nichts
„Neues“ zu finden. Wie aus der aktuellen Erklärung hervorgeht, wird jedoch auch von diesem „Paradigma“
abgesehen. Andererseits fällt in A. Öcalans Erklärung auf, dass er für die PKK, die er gegründet hat, offen den Ausdruck „Bedeutungslosigkeit und übermäßige Wiederholung“ verwendet. Natürlich weist dieser Ausdruck der „Bedeutungslosigkeit“ auf eine wichtige
politische Zäsur hin, doch es sollte auch beachtet werden, dass A. Öcalan die praktische Führung der kurdischen nationalen Bewegung dazu aufruft, „die Bedeutung erneut zu aktualisieren“. In diesem Sinne ist es nicht korrekt, zu denken, dass A. Öcalan sich in einer
„Kapitulation“ befindet. Insbesondere, wenn man A. Öcalans ideologische Haltung als Vertreter einer nationalen Bewegung, seinen politischen Ansatz und Pragmatismus berücksichtigt, wird dies umso bedeutender.

Daher ist es irreführend, die Angelegenheit ausschließlich als „Liquidation“, „Kapitulierung“
oder sogar „Verrat“ zu bewerten. Es darf nicht vergessen werden, dass das kurdische Volk
bereits vor der PKK Aufstände geführt hat und diesen Aufstand mit einem langen
Guerillakrieg fortgesetzt hat. Ein Volk, das nationaler Unterdrückung ausgesetzt war, dessen
Existenz und Sprache verboten wurden und das Opfer von Massakern war, kann nicht einfach
als „kapituliert“ zusammengefasst werden. Zudem ist das kurdische nationale Problem nicht
nur in der Türkei-Kurdistan, sondern auch in anderen Teilen Kurdistans in verschiedenen Formen weiterhin präsent. In der aktuellen Situation hat das kurdische nationale Problem eine Eigenschaft angenommen,
die immer wieder die „Paradigmen“ von Öcalan «übertrifft». Die Reaktionen auf die
Erklärung haben dazu geführt, dass das kurdische Volk und die Realität Kurdistans auf die
weltweite Agenda gesetzt wurden. Der Hauptverantwortliche dafür ist der seit 26 Jahren unter
schwerer Isolation inhaftierte Abdullah Öcalan. Natürlich ist es entscheidend, dass das kurdische Volk trotz all seiner Schwächen und Mängel seinen ununterbrochenen Widerstand fortsetzt, insbesondere durch den bewaffneten Kampf. Selbst in dieser Form hat der kurdische nationale Kampf, der zunächst in der Türkei-Kurdistan und später auch in Irak, Syrien und
Iran Kurdistan geführt wurde, dazu geführt, dass das Thema auf der Agenda des Nahen Ostens und der gesamten Welt steht. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die praktische Führung der PKK und das kurdische Volk Abdullah Öcalan in jeder Hinsicht, wenn auch nicht praktisch, als eine „nationale Führung“ anerkennen. Aus diesem Grund ist es problematisch, eine Bewertung auf der Grundlage vorzunehmen, dass die Kurdische Nationale Bewegung unter der Führung von A. Öcalan durch einen
Kompromiss kapituliert hat und liquidiert wird, wodurch die revolutionäre Bewegung liquidiert wird. Denn die gesamte Bewertung auf der Grundlage dieser Möglichkeit zu machen, hängt hauptsächlich mit der ideologisch-politischen Linie zusammen. Die kurdische
nationale Frage ist einer der Hauptwidersprüche in unserer Geografie. Die Lösung dieses Widerspruchs aus dem einen oder anderen Grund, die Verringerung seines Gewichts und seiner Brisanz bedeutet nicht, dass andere Widersprüche und natürlich der Hauptwiderspruch in unserer Geografie gelöst werden. Das Hauptproblem derjenigen, die solche Bewertungen
vornehmen, und darüber hinaus derjenigen, die ihre Kritik einzig und allein auf die Kapitulation und die Liquidation stützen, ist die Unsicherheit in ihrer eigenen ideologischen und politischen Haltung und hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass sie die
„Revolution“ nur und ausschließlich mit dem Kampf der unterdrückten Nation verbinden. Wie jede andere nationale Bewegung kann die Kurdische Nationale Bewegung natürlich Kompromisse eingehen und sich mit dem Feind, den sie bekämpft, einigen. Diese
Möglichkeit besteht seit dem Entstehen der Nationalen Bewegung, und es ist verständlich, dass die Nationale Bewegung in einer bestimmten Phase des Krieges nach eigenem Ermessen, je nach Ort und Situation, auf diese Möglichkeit aufmerksam macht und sie betont. Diese
Möglichkeit jedoch ständig auf die Tagesordnung zu setzen, deutet auf einen problematischen Ansatz hin. Es geht nicht um die Möglichkeit(en), sondern um die Prinzipien, die kompromisslos sein müssen. Es ist wichtig, im Prinzip kompromisslos zu sein, aber die
Politik entsprechend der konkreten Situation zu bestimmen und in dieser Politik flexibel zu sein.

Grundsatz: Das Recht, auf freie Trennung
Zunächst einmal ist es problematisch, dass ein unterdrücktes Volk, einschließlich seines
Rechts auf freie Trennung, auf seine grundlegenden Rechte verzichtet und dass dieses Recht
unter den Bedingungen der Gefangenschaft nur von einer einzelnen Person (A. Öcalan)
ausgedrückt wird. Darüber hinaus ändert der Vorschlag (oder die Vereinbarung) einer Versöhnung mit der Bourgeoisie der herrschenden Nation nichts an der Tatsache, dass das kurdische Volk in der Türkei weiterhin ein unterdrücktes Volk ist, wenn die legitimen und gerechten Grundlagen seines Kampfes verurteilt werden. Die Betonung der „Einheit des Schicksals der Türken und Kurden“, die A. Öcalan in seiner Erklärung erwähnt, ist ein weiterer problematischer Punkt. Dieser Diskurs wird von den
Sprechern der unterdrückten Nation verwendet. Ausdrücke wie „Brüderlichkeit“ und „wir
sind wie Fleisch und Blut“ dienen der Verschleierung und Legitimierung der Unterdrückung
der unterdrückenden Nation gegenüber der unterdrückten Nation. Zuerst muss die volle
Gleichberechtigung der Nationen anerkannt werden, und dann muss von Brüderlichkeit
gesprochen werden. Es geht also nicht darum, das „türkisch-kurdische Bündnis“ zu
aktualisieren und zu stärken, sondern dem historischen Unrecht an der kurdischen Nation ein
Ende zu setzen.

Die Kurden in der Türkei existieren als eine Nation und sind der nationalen Unterdrückung
durch die herrschende Nation ausgesetzt. Die Veränderung der Form oder Methode dieser
Unterdrückung sowie ihr Ausmaß – ob stärker oder schwächer – hebt nicht die Tatsache auf,
dass die Kurden eine Nation sind und dass sie als solche legitime und demokratische
Forderungen haben, insbesondere das Recht auf freie Abspaltung. Dieses Recht bleibt weiterhin gerechtfertigt und legitim. Im Allgemeinen ist die nationale Frage und speziell die kurdische Frage letztlich eine Frage
der Rechte und des Status. Wie bereits die Bezeichnung nahelegt, handelt es sich nicht um ein
Problem, das ausschließlich auf Klassenbasis gelöst werden kann. Dass seine endgültige
Lösung mit der Klassenfrage verbunden ist, bedeutet nicht, dass es keine Zwischenlösungen
geben kann. Im Zeitalter des Imperialismus und der proletarischen Revolutionen sind einige
nationale Fragen durchaus durch imperialistische Interventionen „gelöst“ worden – in dieser oder jener Form. Die Forderung nach der Gründung eines Staates, auf die die nationale Frage im Wesentlichen
im Zusammenhang mit der Sicherung von Rechten und der Schaffung eines eigenen Marktes
abzielt, kann durch Optionen wie „Autonomie“ oder „Föderation“ in eine andere Phase überführt werden, wie es in verschiedenen Beispielen zu beobachten ist. Denn die Sicherung kollektiver kultureller Rechte – insbesondere der Sprache –, politischer Status und
Organisationsmöglichkeiten stellt in nationaler Hinsicht einen „fortgeschrittenen“ Punkt dar.
In diesem Sinne deutet dies auf eine Veränderung des „Status“ hin. Darüber hinaus sind diese Forderungen demokratische Forderungen der unterdrückten
nationalen Bourgeoisie gegenüber der Bourgeoisie der herrschenden Nation. Die Möglichkeit, dass diese Forderungen von einer anderen Kraft (z. B. dem Imperialismus) instrumentalisiert oder für eigene Interessen genutzt werden, hebt nicht ihren
demokratischen Charakter auf. In unserem konkreten Fall besteht die Lösung der kurdischen Nationalfrage in der Gewährleistung der national-kollektiven Rechte des kurdischen Volkes (Recht auf Abspaltung, Föderation, Autonomie, kulturelle Rechte usw.). Auf nationale-kollektive Rechte zu „verzichten“ oder sie „nicht zu fordern“, bedeutet nicht, dass die kurdische
Frage gelöst oder der Widerspruch zwischen der unterdrückenden und der unterdrückten Nation aufgehoben wäre.

Daher deutet Abdullah Öcalans Aussage in seinem „Aufruf für Frieden und eine
demokratische Gesellschaft“, in der er betont, dass „die zwangsläufige Konsequenz nationalistischer Ausschweifung – ein separater Nationalstaat, Föderation, administrative Autonomie und kulturalistische Lösungen – keine Antwort auf die historische Gesellschaftssoziologie geben können“, auf eine Unlösbarkeit der nationalen Frage hin.
Gleichzeitig bedeutet dies die Anerkennung des Privilegs der türkischen Nation, einen eigenen Nationalstaat zu gründen, und darüber hinaus die Ablehnung verschiedener „Lösungen“ – selbst im bürgerlichen Sinne –, insbesondere des Rechts der kurdischen Nation, einen eigenen Staat zu gründen.
Diese Position ist für Kommunisten selbstverständlich inakzeptabel.

Die kurdische Nationalfrage ist in der Türkei keineswegs „gelöst“. Sie besteht mit all ihrer
Brisanz fort. In diesem Sinne besteht das Problem der nationalen Rechte der Kurden in der Türkei weiterhin, entgegen der Behauptung Abdullah Öcalans.

Hat die Ära des bewaffneten Kampfes ein Ende gefunden?

Andererseits muss eine weitere Realität betont werden: Im Zusammenhang mit der Lösung der kurdischen Frage muss vor der Rhetorik gewarnt werden, die als „Niederlegung der Waffen und Öffnung des politischen Kanals“ formuliert wird und auch innerhalb der Reihen
der kurdischen Bewegung Wirkung zeigt. Es mag nachvollziehbar sein, dass diese Argumente
in den Reihen der herrschenden Nation verwendet werden, doch für das Proletariat und die
unterdrückten Völker der Welt haben sie keinerlei Bedeutung.

Letztlich gilt das Prinzip: „Wenn ein Volk keine Armee hat, hat es gar nichts!“
Natürlich ist der Wechsel von bewaffnetem Kampf zu demokratischem politischen Kampf
eine Option. Doch entscheidend ist, ob es dafür eine reale Grundlage gibt. In der aktuellen
Situation in der Türkei muss man nicht nur die bekannten Hindernisse für „demokratischen
politischen Kampf“ in Betracht ziehen, sondern auch die Tatsache, dass es nicht einmal die
geringsten Überbleibsel bürgerlicher Demokratie gibt.
Von der Vergangenheit bis heute existiert die „demokratische Politik“ in der Türkei nur auf
dem Papier. In der Praxis gibt es dafür jedoch keine tatsächliche Entsprechung. Der Faschismus ist nicht nur eine Regierungsform, sondern eine Art der Staatsführung und ein integraler Bestandteil der Politik selbst. Daher wird auf die kleinste Forderung nach Rechten oder auf jede demokratische und revolutionäre Bewegung mit faschistischem Terror reagiert.
In der jüngsten Zeit wurde unter dem Namen des „Präsidialsystems“ eine faschistische
Repressionspolitik durch das AKP-MHP-Regime gegen alle demokratischen Forderungen,
einschließlich der Meinungsfreiheit, durchgesetzt. Die kurdische nationale Bewegung gehört
zu denjenigen, die diese Erfahrung am unmittelbarsten und intensivsten gemacht haben.
Man darf nicht vergessen, dass die kurdische nationale Bewegung zu den Waffen gegriffen
hat, weil es keinen Weg für demokratischen Kampf gab, sondern ihr stattdessen Leugnung
und Vernichtung aufgezwungen wurden. Dies war keine bloße Wahl – (zumal es auch
kurdische nationale Bewegungen gibt, die nicht zu den Waffen gegriffen haben, die jedoch
der schweren faschistischen Unterdrückung ebenfalls nicht entkommen konnten) –, sondern
eine Notwendigkeit unter den Bedingungen der Türkei und von Türkisch-Kurdistan. Diese
Realität besteht heute ebenso fort wie in der Vergangenheit. Dass sich einige Dinge geändert
haben, bedeutet nicht, dass der Faschismus beseitigt oder Widersprüche – insbesondere die
kurdische nationale Frage – gelöst wurden.
Andererseits ist die Propaganda, die bewaffnete Auseinandersetzung sei im Rahmen von
„Lösung“ oder „Frieden“ ein Zeichen politischer Orientierungslosigkeit, grundlegend falsch.
Denn bewaffneter Kampf ist in sich selbst bereits Politik. Seit Jahren wird unter der Parole
„Die Rolle der Gewalt in Kurdistan“ eine Kritik an den Waffen geübt, während dieselben
Akteure genau durch diese Debatten politische Arbeit betrieben haben. Die Ablehnung des
bewaffneten Kampfes hebt nicht die Tatsache auf, dass bewaffneter Kampf zugleich
politischer Kampf ist.

Der Versuch, sich mit dem Faschismus zu arrangieren, führt zu realitätsfernen Theorien wie
„bewaffneter Kampf ist keine politische Auseinandersetzung“ oder sogar „bewaffneter Kampf
steht einer demokratischen Auseinandersetzung im Weg“. Doch die Praxis hat immer wieder
bestätigt, dass „Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist. Dass genau
diejenigen, die diesen Kampf führen, diese Wahrheit leugnen, verweist auf ihre ideologische
Haltung und darauf, dass sie sich nun entschieden haben, die Politik mit anderen Mitteln
weiterzuführen. Die Behauptung, dass die „Ära des bewaffneten Kampfes vorbei sei“, kann unter den aktuellen Bedingungen, in denen sich die Welt auf einen neuen imperialistischen Verteilungskrieg vorbereitet, insbesondere in der Region des Nahen Ostens, nur als Illusion
betrachtet werden.

Darüber hinaus hat der bisherige Verlauf der Ereignisse immer wieder gezeigt, dass Abdullah Öcalans Aussage, „die Zeit des bewaffneten Kampfes sei vorüber“, durch die Realität widerlegt wurde. So verkündete Öcalan im Jahr 2013 das Ende der bewaffneten Auseinandersetzung, während das kurdische Volk in Rojava gleichzeitig unter enormen Opfern einen erfolgreichen bewaffneten Kampf gegen den IS führte. Zudem ist offensichtlich, dass die kurdische Bewegung in Rojava bis heute keine andere Wahl hat, als sich mit Waffen gegen die Angriffe der Türkei – sowohl direkt als auch durch unterstützte Milizen – zu
verteidigen. Wie diese Tatsachen immer wieder beweisen, ist die Behauptung, die Ära des bewaffneten
Kampfes sei vorbei, schlichtweg nicht zutreffend. Insbesondere unter den Bedingungen des
Nahen Ostens ist der bewaffnete Kampf nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit.
Die Realität ist revolutionär, und die Ära des bewaffneten Kampfes ist nicht beendet.
Angesichts der gegenwärtigen Situation des imperialistisch-kapitalistischen Systems und der
Anzeichen eines neuen Verteilungskrieges sowie unter den Bedingungen einer weltweit
zunehmenden Militarisierung im Namen der „Verteidigung“, sind Theorien über das
angebliche Ende des bewaffneten Kampfes aus Sicht des Proletariats, der unterdrückten Völker und Nationen schlichtweg gleichbedeutend mit deren Entwaffnung – und das ist
selbstverständlich inakzeptabel.

Ist eine „demokratische Gesellschaft“ unter faschistischen Bedingungen möglich?

In seinem Aufruf geht Abdullah Öcalan auf die türkisch-kurdischen Beziehungen ein, spricht
von einem „Geist der Brüderlichkeit“ und erklärt, dass die „Notwendigkeit einer demokratischen Gesellschaft unausweichlich“ sei. Als Lösung schlägt er „demokratische Gesellschaft“ und „demokratische Versöhnung“ als grundlegende Methoden vor.
Doch in einem kapitalistischen System gibt es keine klassenunabhängige oder über den
Klassen stehende Demokratie. Jede Klasse hat ihr eigenes Verständnis von Demokratie und
ihre eigene Form der Demokratie. Daher ist die Vorstellung einer „demokratischen
Gesellschaft“ oder einer umfassenden „Demokratie“ in einem kapitalistischen System, in dem
die Bourgeoisie die Macht innehat, nicht realisierbar. Eine echte Volksherrschaft und eine
wirklich demokratische Gesellschaft können nur durch die Machtübernahme des Volkes und
die Errichtung eines Volksstaates verwirklicht werden.
Die Erwartung, dass der türkische Staat eine „demokratische Gesellschaft“ ermöglicht, ist
eine Illusion, die sich niemals erfüllen wird. Bereits der Ausgangspunkt dieser Annahme ist
falsch. Selbst während des Aufrufs zu einer „demokratischen Gesellschaft“ wird der gesamte
Verhandlungsprozess hinter verschlossenen Türen geführt. Es gibt keine umfassende
öffentliche Erklärung darüber, was genau passiert und welche Vereinbarungen getroffen
wurden – womit nicht einmal eine „demokratische Debatte“ möglich ist.
Hinzu kommt, dass eine der beteiligten Seiten unter schwerster Isolation steht. Bevor
überhaupt über eine „demokratische Gesellschaft“ gesprochen werden kann, müssen zunächst
die harten Isolationsbedingungen von Abdullah Öcalan aufgehoben und er selbst freigelassen
werden. Sollte tatsächlich eine demokratische Gesellschaft angestrebt werden, wäre die
grundlegendste Voraussetzung, dass Öcalan in Freiheit arbeiten kann und uneingeschränkte
Kommunikationsmöglichkeiten mit seiner Organisation hat. Abdullah Öcalan rechtfertigt seinen Aufruf zur „Auflösung der PKK und Niederlegung der
Waffen“ mit der Behauptung, dass in der Türkei die „Leugnung der Identität gelöst wurde“
und es „Fortschritte in der Meinungsfreiheit“ gegeben habe. Es ist jedoch allgemein bekannt,
dass es in diesen Bereichen keinerlei wesentliche Fortschritte gibt. Die sogenannte „Anerkennung der Existenz der Kurden“ ist lediglich eine formale,
oberflächliche Geste. Es liegt auf der Hand, dass selbst dieser minimale Schritt nur durch
einen Kampf unter Lebensgefahr erzwungen werden konnte. Doch selbst diese
„Anerkennung“ ist kein Ersatz für eine konkrete politische Lösung der nationalen Frage, die
sich in einem rechtlich gesicherten Status niederschlägt. Zudem ist der aktuelle Zustand der
Meinungsfreiheit so offensichtlich katastrophal, dass darüber keine Diskussion notwendig ist.
Der entscheidende Punkt, den Öcalan übersieht – oder besser gesagt falsch bewertet, weil er
die Frage nicht aus einer klassenbasierten Perspektive betrachtet –, ist die eigentliche Ursache
der nationalen Frage im Allgemeinen und der kurdischen nationalen Frage im Besonderen.
Die kurdische nationale Frage kann nicht auf die Leugnung der Identität oder die Einschränkung der Meinungsfreiheit reduziert werden. Ebenso wenig ist der Grund für das kurdische Problem in der kurdischen Nation selbst zu suchen. Die Hauptursache ist die
nationale Unterdrückung, die systematisch auf das kurdische Volk ausgeübt wird.
Diese nationale Unterdrückung betrifft nicht nur die Kurden als Einzelpersonen, sondern das
gesamte kurdische Volk als kollektives Subjekt – mit Ausnahme einer kleinen Elite aus
Großgrundbesitzern und Großbourgeoisie, die eng mit den türkischen Herrschaftskreisen
verflochten sind. Abgesehen von dieser privilegierten Minderheit ist die gesamte kurdische
Gesellschaft – kurdische Arbeiter, Bauern, städtische Kleinbourgeoisie und kleine
Landbesitzer – weiterhin dieser nationalen Unterdrückung ausgesetzt.
Die grundlegende Ursache der kurdischen Frage ist daher nicht die Identitätsfrage, sondern
die systematische nationale Unterdrückung durch die herrschenden Klassen der türkischen
Nation.

Daher bleibt die nationale Unterdrückungspolitik der herrschenden Nation weiterhin bestehen,
abgesehen von einigen Zugeständnissen, die infolge des Kampfes der kurdischen Nation
gemacht wurden. Die kurdische Frage ist nicht gelöst. In unserer Region bleibt die Lösung der
kurdischen nationalen Frage weiterhin eine der Aufgaben der Demokratischen
Volksrevolution. Unter den Bedingungen des Faschismus ist eine revolutionäre Lösung der
kurdischen Frage nicht möglich. Natürlich können als Ergebnis eines revolutionär-
demokratischen Kampfes einige Schritte unternommen werden. Es ist nicht falsch,
fortschrittliche Schritte zu unterstützen, die zur Lösung der Hauptwidersprüche, insbesondere
der kurdischen Frage, in der Türkei und Türkisch-Kurdistan beitragen könnten, und diese
Reformen der revolutionären Bewegung unterzuordnen. Aber Reformen als endgültige
Lösung zu propagieren und gar zu behaupten, dass die kurdische Nation unter den
gegenwärtigen Bedingungen bereits ihr Selbstbestimmungsrecht ausgeübt habe, ist falsch.
Zudem argumentiert Abdullah Öcalan in seiner Erklärung, dass „es für Systembestrebungen
und deren Umsetzung keine ausser demokratischen Wege gibt und geben kann. Die
demokratische Versöhnung ist die grundlegende Methode.“ Doch in der heutigen Welt und in
einer Klassengesellschaft ist diese Sichtweise grundlegend falsch. In einer Realität, in der
Klassen existieren, ist auch das Konzept der Demokratie klassenabhängig. Das
imperialistisch-kapitalistische Weltsystem, das auf dem Privateigentum basiert, sowie die
Realität der Türkei und Türkisch-Kurdistans zeigen, dass der Staat nichts anderes ist als ein
Unterdrückungsinstrument einer Klasse über eine andere. Selbst in der heutigen Zeit ist die
sogenannte bürgerliche Demokratie in Frage gestellt.
Seit ihrer Gründung besitzt die bürgerliche Demokratie in der Türkei eine faschistische Natur.
„Unser Land hat nie eine echte bürgerliche Demokratie erlebt, es hat nur einige ihrer
Bruchstücke gekostet.“ (Ibrahim Kaypakkaya, Bütün Eserleri, Nisan Yayımcılık). Daher
wurde die nationale Unterdrückungspolitik gegen die kurdische Nation, ebenso wie andere
Widersprüche, unter dem Deckmantel der „Demokratie“ aufrechterhalten.
Die Befreiung der türkischen und kurdischen Nationen sowie der verschiedenen
Nationalitäten und Glaubensgemeinschaften der Türkei von Ausbeutung, Unterdrückung und
Abhängigkeit ist innerhalb dieses Systems und innerhalb der sogenannten Demokratie nicht
möglich.

Der Befreiungskampf der Völker erfordert nicht eine „demokratische Versöhnung“,
sondern Kampfmittel und Methoden außerhalb des Systems. Dies ist keine Wahl, sondern
eine Notwendigkeit. Der türkische Faschismus muss ins Visier genommen werden! Im aktuellen Prozess wurde Abdullah Öcalan, der einst vom türkischen Staat als „Terroristenführer“ bezeichnet wurde, nun als eine Führungspersönlichkeit anerkannt, die
Frieden verteidigt und eine Lösung fordert. Auch wenn die Medienpropaganda des türkischen
Staates diese Entwicklung als „Beseitigung des Terrorismus“ darstellen wird, wird
gleichzeitig auf nationaler und internationaler Ebene die Diskussion über die „Pflichten“ des
türkischen Staates, seine Demokratisierung und die notwendigen Schritte geführt werden.
In der offiziellen Erklärung von Abdullah Öcalan wird dies nicht explizit erwähnt, jedoch
wurde über Sırrı Süreyya Önder an die Öffentlichkeit weitergegeben, dass Öcalan im
Gegenzug zu der erzielten „Einigung“ auch die Verpflichtungen des türkischen Staates
formulierte. Es scheint, dass der türkische Staat diese Aussagen nicht in die offizielle
Erklärung aufnehmen ließ. Öcalan weist auf gesetzliche und verfassungsrechtliche
Änderungen hin, die das politische Recht der kurdischen Nation absichern sollen, und betont,
dass die Niederlegung der Waffen und die Auflösung der Organisation gleichzeitig mit
innerstaatlichen demokratischen Gesetzesreformen erfolgen müssen.
Diese Forderungen sind unter faschistischen Bedingungen eindeutig „fortschrittliche“ und
„demokratische“ Forderungen. Ob sie tatsächlich umgesetzt werden oder nicht, ist eine ganz
andere Frage. Unabhängig von den Berechnungen des türkischen Faschismus sollten
diese Forderungen unterstützt und verteidigt werden.
Die Haltung des klassenbewussten Proletariats zur nationalen Frage im Allgemeinen und zur
kurdischen nationalen Frage im Besonderen ist klar. Es ist von Nutzen, dies noch einmal in
Erinnerung zu rufen:

„… Unabhängig von ihrer Nationalität wird das bewusste türkische Proletariat den
allgemeinen demokratischen Charakter der kurdischen nationalen Bewegung, die sich gegen
die Unterdrückung, Tyrannei und Privilegien der türkischen herrschenden Klassen richtet
und die Abschaffung jeglicher nationalen Unterdrückung sowie die Gleichheit der Nationen
anstrebt, bedingungslos und uneingeschränkt unterstützen. Ebenso wird es die Bewegungen
anderer unterdrückter Nationalitäten in diese Richtung bedingungslos und uneingeschränkt
unterstützen.
… Unabhängig von ihrer Nationalität wird das bewusste türkische Proletariat in den
Kämpfen der Bourgeoisie und Großgrundbesitzer verschiedener Nationalitäten um ihre
eigenen Vorrechte und Privilegien vollkommen neutral bleiben. Das bewusste türkische
Proletariat wird niemals eine Tendenz unterstützen, die darauf abzielt, den kurdischen
Nationalismus innerhalb der kurdischen nationalen Bewegung zu stärken; es wird den
bürgerlichen Nationalismus niemals fördern oder unterstützen; es wird niemals den Kampf
der kurdischen Bourgeoisie und Großgrundbesitzer um ihre eigenen Privilegien und
Vorrechte unterstützen. Mit anderen Worten: Es wird sich darauf beschränken, den
allgemeinen demokratischen Charakter der kurdischen nationalen Bewegung zu unterstützen
und nicht darüber hinauszugehen.“ (İbrahim Kaypakkaya, age, S. 194)

Als Ergebnis hat mit dem Aufruf von Abdullah Öcalan ein neuer Prozess im Zusammenhang
mit der kurdischen nationalen Frage begonnen. Der Unterschied zu früheren Prozessen liegt in
der neuen politischen Ausrichtung, die die türkische Kompradorenbourgeoisie unter dem
Slogan der „Befestigung der inneren Front“ in die Praxis umsetzt. Daher muss erkannt
werden, dass dieser Prozess nicht nur für die kurdische nationale Bewegung Risiken birgt,
sondern auch für den türkischen Staat. Die Frage nach „Lösung oder Auflösung“ steht nicht
nur für die kurdische nationale Bewegung auf der Tagesordnung, sondern auch für den
türkischen Staat. Das zentrale Problem besteht darin, dass die „scharfe Spitze des Pfeils“ nicht gegen die
kurdische nationale Bewegung und Abdullah Öcalan, sondern gegen den türkischen Faschismus gerichtet werden muss. Die Ursache und der Schöpfer der kurdischen nationalen Frage ist der türkische Faschismus. Es ist die faschistische Diktatur der türkischen Kompradorenbourgeoisie. Der türkische Faschismus befindet sich in einer Sackgasse. Als ein
Produkt dieser Zwangslage sucht er nach einem „Kompromiss“ mit der kurdischen nationalen
Bewegung. Unter diesen Bedingungen muss Solidarität mit der kurdischen nationalen
Bewegung gezeigt werden. Kritik ist natürlich möglich und notwendig. Doch der eigentliche
Feind darf nicht aus den Augen verloren werden, und der revolutionäre Kampf des türkischen
und kurdischen Volkes sowie der verschiedenen Nationalitäten und Glaubensgemeinschaften
in der Türkei muss fortgesetzt werden.
Ob der „Aufruf des Jahrhunderts“ eine „Lösung oder Auflösung“ bedeutet, wird zweifellos
durch den kommenden Prozess und den Kampf entschieden. Dies erfordert jedoch, dass die
revolutionär-demokratische Opposition nicht untätig bleibt, sondern aktiv in den Prozess
eingreift. Die Lösung der kurdischen nationalen Frage allein auf eine zukünftige Revolution
zu vertagen, unter dem Deckmantel der „wahren Lösung“ das Recht auf freie Abspaltung zu
betonen, aber dabei die aktuellen Dynamiken zu übersehen und somit von der politischen
Realität des Tagesgeschehens abzukommen, ist unhaltbar. Aus der Perspektive der
Demokratischen Volksrevolution in der Türkei ist dies nicht akzeptabel. Das Problem muss
nicht nur als eine Frage der Kräfteverhältnisse, sondern in erster Linie als eine Frage
ideologischer Klarheit verstanden werden.

(Partizan Zeitschrift 07.03.2025)
Original auf türkisch:
https://partizan-online2.net/asrin-cagrisi-cozum-mu-cozulme-mi/